Streitgespräch zum und die Finanzierung des Grundeinkommens in der TagesWoche

Streitgespräch zum Grundeinkommen: Der Gewerkschaftler Corrado Pardini und der ehemalige Bundesratssprecher Oswald Sigg

 

Nach einen Drittel der Unterschriftensammelzeit widmet die TagesWoche zwei interessante Beiträge zur Debatte um die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

 

DAS STREITGESPRÄCH

Streit um eine Utopie

Mit Corrado Pardini und Oswald Sigg

Ausschnitt:

Kann man nicht jedem Einzelnen das Urteil überlassen, ob es mit seiner Würde vereinbar sei, zu arbeiten oder eben nicht?

Pardini: Ich glaube, dass man mit der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens ­akzeptieren würde, dass ein Teil der Gesellschaft abgekoppelt wird von diesem Recht auf Arbeit. Man hat das bei der Einführung von Hartz IV in Deutschland, das im weitesten Sinn eine Art Grundeinkommen darstellt, beobachten können. Hartz-IV-Empfänger werden von der Gesellschaft abgeschrieben. Man befreit diese Leute nicht, man emanzipiert sie nicht. Im Gegensatz zu Hartz-IV-Einkommen ist die Arbeitslosenversicherung kein Instrument, das Betroffene abweist, sondern das Signal, dass der Mensch ein Recht auf Arbeit hat.

Sigg: Eigentlich dient dir als Gewerkschafter der Kapitalismus dazu, gegen das Grundeinkommen zu argumentieren. Das ist doch absurd, dass ausgerechnet du die ungerecht verteilte und ungerecht entlöhnte Arbeit, die der Kapitalismus produziert, zum Mass aller Dinge machst. Denk daran: Die Gewerkschaften haben 1880 erstmals ein Grundeinkommen gefordert – nämlich die Alters- und Hinterbliebenenversicherung. Es ging dann aber über 60 Jahre, bis die AHV tatsächlich eingeführt werden konnte.

 

DIE FINANZIERUNG

Geld gibt es genug, es fliesst heute bloss woanders hin

von Peter Sennhauser

Ausschnitt:

Es bleibt ein Fehlbetrag von 20 Mil­liarden oder 2500 Franken pro Kopf und Jahr. Daniel Häni spricht dabei von einer «Investition», die das bedingungslose Grundeinkommen uns wert sein müsste. Die 20 Milliarden müssten zusätzlich beschafft oder aus anderen als den beiden entlasteten Bereichen transferiert werden. Woher genau, das soll der politische Prozess nach dem Grundsatzentscheid ausmachen. Damit stehe jedenfalls fest: Das bedingungslose Grundeinkommen ist finanzierbar. Einzige Voraussetzung ist der politische Wille.

Nachdem diese Diskussionssperre einmal aus dem Weg geräumt ist, folgt die Frage nach der konkreten Umsetzung. Wie also sollen die theoretisch verfügbaren 180 Milliarden zur Staatsseite transferiert und die zusätzlich nötigen 20 Milliarden beschafft werden?

Darüber gehen die Meinungen sogar unter den Initanten auseinander. Während Oswald Sigg eine Reichtumssteuer heranziehen will (siehe nebenstehendes Streitgespräch), möch­te Daniel Häni einen ganz anderen Weg gehen. In seinen Augen kommt ein zusätz­licher Grundsatz seiner Vision zum Tragen. Das Grundeinkommen soll die Existenz­angst aus der Welt schaffen. Um es zu finanzieren, soll eine Kon­sumsteuer den Grundsatz der «Besteuerung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit» aufheben.

Denn heute werde (vermeintlich) «Leistung», sprich Einkommen besteuert. Das sei insofern eine Illusion, als letztlich jede Steuer von den Konsumenten bezahlt wird: Die Einkommenssteuer wird dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber, diesem durch Zuschläge auf den Verkaufspreis durch die Verbraucher bezahlt. Demnach stammt jeder Steuerfranken aus dem Verkaufspreis.

 

EDITORIAL

Grundeinkommen spaltet auch die Linke

von Urs Buess

Ausschnitt:

Kann man eine solche Forderung ernst nehmen? Nein, sagt man da spontan. Es kann doch nicht sein, dass der Staat allen eine Rente fürs Nichtstun auszahlt.

Doch, erwidern andere. Der Staat bemüht sich schon heute mit seinen Sozialleistungen darum, dass möglichst alle eine gesicherte Existenz haben. Gleichzeitig gibt es so viel Arbeit im sozialen, familiären und kreativen Bereich, die nicht entlöhnt wird. Mit etwas finanziellem Mehraufwand liesse sich das Grundeinkommen einführen, und das Problem unbezahlter Arbeit wäre keines mehr.

Das Thema elektrisiert, denn es ist klar, dass die heutige Wirtschaftsordnung ungerecht ist. Die Arbeit ist ungleich verteilt – einige müssen unverhältnismässig viel arbeiten, um ihren Job halten zu können. Andere haben keine Arbeit. Einige verdienen Riesensummen, andere können sich mit dem Entgelt für ihr Chrampfen allenfalls das Nötigste leisten.

Comments

  1. Eine Reichensteuer ist besser als die Konsumentensteuer. Sie sichert, dass auch von jenen, die nur auf ihrem Geld sitzen und es nicht ausgeben, auch was kommt. Geld hat zu fliessen. Alles was steht, fault.

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