Arbeit setzt Einkommen voraus
Oswald Sigg für den unabhängigen Mediendienst Hälfte
Die Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ ist eine Seltenheit. Sie fordert nicht, wie andere Volksbegehren, ultimatives Handeln gegen existenzielle Bedrohungen. Kein ‚Ausländer raus‘, kein ‚Abzocker weg‘, weder ‚Rettet unser Gold‘ noch das ‚Aus für die Atomenergie‘.
Die Grundeinkommens-initiative fordert ihrer Natur nach die Entschleunigung der Politik.
Gesetzt den wenig wahrscheinlichen Fall: diese Initiative wird eines schönen Sonntagabends im Jahr 2016 angenommen. Was passiert dann? Nichts. Bundesrat Alain Berset, Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern, wird so eloquent wie gewohnt und doch unüblich wortkarg vor die Medien treten: „Der Bundesrat wird dem Parlament bis zum 31. Dezember 2027 das Bundesgesetz zur Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens vorlegen“. Ende der Durchsage. Möglich, dass das der SVP wie immer zu lange dauert und sie wieder eine Durchsetzungsinitiative startet. Aber wenig wahrscheinlich.
Wer aber die 24 Seiten der Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ vom 27. August 2014 aufmerksam durchliest, der weiss heute schon, was im Fall einer Annahme an jenem Sonntagabend wirklich passieren wird. Alain Berset wird im Namen der Landesregierung daran erinnern, diese habe damals in ihrer Botschaft an Parlament und Volk rechtzeitig und deutlich vor der nun eingetretenen Katastrophe gewarnt. Der Bundesrat ziehe die Konsequenzen aus dem Verdikt von Volk und Ständen und trete gesamthaft auf den 31. Dezember 2016 zurück.
Denn der Bundesrat weiss heute schon, dass ein Grundeinkommen weder eine solidarische Gesellschaft herbeiführen noch sich auf die Wirtschaft positiv auswirken wird. Das System der sozialen Sicherheit würde massiv gestört und der gesellschaftliche Zusammenhalt aufgehoben. Die Finanzierung des Grundeinkommens würde zusätzliche Steuern von 153 Milliarden Franken (26% des BIP) benötigen und damit die Volkswirtschaft „enorm belasten“, sprich: kaputt machen. Dieser Finanzierungsbedarf würde ein abnehmendes Beschäftigungsvolumen (Erwerbslosigkeit) und damit sinkende Wertschöpfung in der Wirtschaft zur Folge haben. Die Risiken „eines solchen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Experiments“ seien zu gross und dessen Wirkungen zu unberechenbar.
Fazit: Hände weg davon. Nur keine Experimente. Und schon gar keine Diskussion darüber.
Denn: „Unsere Politik hat sich grundsätzlich bewährt und der Bundesrat will auch künftig daran festhalten.“ Den Stehsatz findet man sinngemäss in den meisten Stellungnahmen des Bundesrates zu fast allen Initiativen. Geradezu gefährlich ist diese Strategie. Analog wurde sie angewandt etwa zur Bekämpfung der Masseneinwanderungsinitiative oder der Minarettverbotsinitiative. In beiden Fällen kam das einem Schuss in den Ofen gleich: diese grundrechtswidrigen Initiativen wurden angenommen. Über das Minarettverbot fand weder im Bundesrat noch im Parlament noch in der Öffentlichkeit eine Debatte statt.
Aber gerade die Grundeinkommens-initiative ist ein Paradebeispiel direkter Demokratie:
Würde sie angenommen, käme zuerst eine ganz grundsätzliche breite und tiefe, unter der Ägide von Bundesrat und Parlament geführte Diskussion in Gang: über die Ausführungsgesetzgebung. Und damit über den Wert der Arbeit, über die Gerechtigkeit der Einkommen, über die Menschenwürde am Arbeitsplatz, über das ewige wirtschaftliche Wachstum, über die gerade in der Schweiz stark verbreitete Roboterideologie: die Eliminierung des Menschen aus allen Produktionsprozessen, über Vollbeschäftigung und Erwerbslosigkeit, über die unbezahlte Arbeit in der Gesellschaft und so weiter. Dem Bundesrat mangelt es an Phantasie: wider das Grundeinkommen predigt er nur die bedingungslose Ökonomisierung der Gesellschaft. Er glaubt, wenn alle ein Grundeinkommen vom Staat erhielten, würde niemand mehr arbeiten gehen und etwas leisten. Er fragt sich nicht, ob denn die moralische Sentenz „Müssiggang ist aller Laster Anfang“ noch immer unverrückbar gilt. Denn nicht erst heute ist Einkommen die Voraussetzung für Arbeit. Das umgekehrte ist ein ähnlicher Irrglaube wie die einstige Annahme, die Welt sei eine ziemlich dicke Scheibe.
Das BGE wird erst kommen wenn es 50-60% Arbeitslosigkeit aufgrund des technisch/wissenschaftlichen Fortschritts gibt. Solange das nicht der Fall ist wird man an den alten konservativen Vorstellungen festhalten und die Leute halt zu irgendwelchen Scheinarbeitsplätzen verpflichten.
Das sein bestimmt das Bewusstsein (Karl Marx). In einer Arbeitsgesellschaft ist das Bewusstsein das es Einkommen nur für Arbeit geben kann vorherrschend. Das Bewusstsein wird sich erst dann verändern wenn das “Sein” ein anderes ist, also Arbeitslosigkeit Normalität geworden ist und die Arbeit immer mehr aus dem Kulturell/Ideologischen Bewusstsein der Menschen schwindet. Erst wenn dieses “Sein” ohne Arbeit zur Normalität geworden ist wird sich das Bewustsein für das BGE entwickeln.
Daher denke ich das es noch eine ganze Weile an technologischen Revolutionen bedürfen wird bevor das Volk zustimmt. Es ist die Technik die diese Gesellschaftliche Veränderung bewirken wird, die Politik wird dann irgendwann folgen.
Sie sehen die Unausweichlichkeit des BGE aufgrund des technischen Fortschrits. Es liegt aber an allen Befürworten des BGE mit guter Informationsarbeit die Leute jetzt schon zu überzeugen. Mit dem richtigen Momentum könnte ein BGE schon bei der jetzigen Abstimmung durchkommen.
Guten Tag
“Mit dem richtigen Momentum könnte ein BGE schon bei der jetzigen Abstimmung durchkommen.”
Hoffen wir es nicht! Das Grundeinkommen würde das Ende der Schweiz und vielleicht das Ende der Zivilisation bedeuten.