Bedingungsloses Grundeinkommen – Macht Geld faul?

Ausgezeichnetes Portrait über Michael Bohmeyer in der ZEIT:

Macht Geld faul?

 

Ausschnitte:

“Schüler und Unternehmer, Student und Firmenchef: In Bohmeyers Leben flossen Phasen ineinander, die sonst getrennt sind – und zwei konträre Systeme. Als er 1984 auf die Welt kam, stand noch die Mauer, 16 Jahre später sollte er für ein Austauschjahr nach Michigan ins alte Feindesland gehen. In seinem Kopf vermischten sich zwei Leitbilder – die sozialistische Forderung nach Gemeinschaft und die Parolen, die ihm amerikanische Freunde beim Eishockey zuriefen. Come on, you can do it. Und genau um diese Kombination von individuellem Streben und solidarischen Geben geht es Bohmeyer auch heute.

Geht es um das bedingungslose Grundeinkommen, werden die Menschen erstaunlich emotional. Ruft man Götz Werner an, den Gründer der Drogeriemarktkette dm und einen der größten Verfechter der Idee, vergleicht er es nacheinander mit der Erfindung des Autos, des Telefons und mit der kopernikanischen Wende. Die meisten Mainstream-Ökonomen dagegen sind kritisch. Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, sagt, es seien alle Versuche gescheitert, das Paradies auf Erden zu errichten, und auch das Grundeinkommen sei Unfug. Unversöhnliche Fronten – und doch hat sich in den vergangenen Jahren etwas getan.

Zum einen: Obwohl die Zahl der Festangestellten in Deutschland gestiegen ist, glauben viele Menschen nicht mehr an die lebenslange Stellung in einem Unternehmen. Selbstständige, Leiharbeiter, Aufstocker, Minijobber – das sind die Bilder, die viele im Kopf haben. Dem verbreiteten Unbehagen hat Thomas Piketty mit seinem Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert auch noch eine wissenschaftliche Grundlage geliefert: Die Arbeit konnte das Versprechen, das sie für das Bürgertum der westlichen Industriegesellschaft darstellte, nicht einlösen. Arbeit trägt heute immer weniger zum Wohlstand bei.

Zum anderen: Die Idee, Arbeit und Einkommen zu entkoppeln, hat mit der Generation Y ganz neue Fürsprecher gefunden. Als Bohmeyer bei seinem Termin angekommen ist, wird er eine Stunde lang auf einer umgedrehten Getränkekiste sitzen und diskutieren, wie man zusätzliche Spenden über Onlinekäufe generieren kann. Hinter ihm kleben gelbe Zettel mit der Aufschrift “Ich entscheide” und “Mehr Zeit”. Typische Losungen seiner Generation, die sich buntere Lebensentwürfe und mehr Durchlässigkeit zwischen Beruf und Familie wünscht.”

Es war im Jahr 1949, als Harry Harlow acht Rhesusaffen aus ihren Käfigen holte. Der Psychologieprofessor aus Wisconsin wollte herausfinden, wie Primaten lernen, und legte ihnen ein Geduldspiel vor, bei dem es darum geht, eine Art Schloss zu öffnen. Der damals verbreitete Behaviorismus lehrte, dass Primaten nur aus zwei Gründen aktiv werden. Entweder sie wollen essen, trinken oder kopulieren. Oder aber man hat ihnen zuvor mühevoll beigebracht, dass ein bestimmtes Verhalten belohnt wird. Doch nun lösten die Affen Harlows Aufgabe, ohne dass er sie ermuntert hätte. Eine Belohnung muss her, dachte Harlow in behavioristischer Manier, um die Leistung zu steigern. Doch nachdem er den Affen Rosinen gegeben hatte, verloren sie das Interesse an dem Spiel. Harlow war so irritiert, dass er sich anderen Themen zuwandte. Zuvor notierte er allerdings noch etwas: Es scheine, so schrieb er, eine dritte Kraft zu geben, die motiviere, “eine Kraft, die vielleicht genauso grundlegend und stark ist wie die anderen beiden”.

Bis sich dieser Kraft wieder ein Forscher zuwandte, sollten zwei Jahrzehnte vergehen. Edward Deci, ein neugieriger Student aus Pittsburgh, wiederholte das Affenexperiment mit Menschen, einer Art Zauberwürfel und Geld statt Rosinen. Das Resultat war das gleiche: Kaum waren die Probanden bezahlt worden, verloren sie jede Lust, sich ohne Entlohnung mit dem Würfel zu beschäftigen. Als sei durch das Geld die reine Freude am Tun geschwunden.

Heute ist die dritte Kraft als intrinsische Motivation bekannt, und die Fragen, die Harlow und Deci aufgeworfen haben, sind aktueller denn je. Sie könnten die Arbeitswelt sogar grundlegend verändern: Raubt man Menschen die Fähigkeit zur intrinsischen Motivation, wenn man sie zur Arbeit zwingt? Und wird Arbeit erst dann erfüllend, wenn sie nicht gegen Bezahlung, sondern um ihrer selbst Willen geschieht?

Ein Sonntagnachmittag in Berlin. Seit Michael Bohmeyer sich vor drei Monaten auf die Suche nach neuen Geldquellen gemacht hat, sind an die 15.000 Euro eingegangen, indem über einen Button beim Einkauf in bestimmten Onlineshops ungefähr fünf Prozent des Preises gespendet werden. Heute hat Bohmeyer zur Verlosung des sechsten und siebten Grundeinkommens in einen Gewerbehof in Berlin-Kreuzberg geladen. Der Wandel der Arbeitswelt ist hier allgegenwärtig. Früher gab es eine Lampenfabrik, heute ist hier eine Filmproduktion, und man kann Swingtanz lernen. Die Star Wars-Melodie erklingt, eine rostige Bühne fährt hoch, darauf Bohmeyer. Vor ihm stehen an die hundert Menschen, drei kommen auf die Bühne und drehen das Glücksrad. Es gewinnen Florian, der sein Hobby zum Beruf machen will, und Josefine, die sich um Tierschutz kümmern will. “Grundeinkommen ist die wahre Revolution”, sagt Bohmeyer. Er ist aufgeregt, die nächste Verlosung wird im Fernsehen sein. Wovon Bohmeyer träumt: Geld für 100 Grundeinkommen und dann ein Kongress, auf dem alle von einer Welt erzählen, die zumindest für ein Jahr ganz anders war.”

 

Comments

  1. Guten Tag

    Das Experiment von Michael Bohmeyer tönt auf den ersten Blick faszinierend: Wenigstens werden dabei nicht steuerzahlende Mitbürger zur Zahlung der lebenslänglichen Staatsrente verdammt, sondern die “Contributors” melden sich freiwillig.

    Auf den zweiten Blick trifft aber die Ernüchterung über diese Lotterie ein:
    Die Gewinner dürfen anonym bleiben und so mit dem Geld machen was sie wollen. Es bleibt uns deshalb verschwiegen, ob und wie viele Gewinner ganz mit der Erwerbsarbeit aufhören. Es ist ja auch nicht so schick, zugeben zu müssen, dass man jetzt mit der Arbeit aufgehört hat und Dauerurlaub macht.

    Man sollte den Menschen ganz klar kommunizieren, dass hier eine ganz normale Verlosung einer Lotterie vorliegt, mit dem einzigen Unterschied, dass die Auszahlung in Raten erfolgt. Es ist einfach eine private Lotterie, bei der, hoffen wir es, 100% der Spenden in die Gewinne fliessen, und das Bohmeyer nicht noch Spendengelder für Administration und Aufwand abzwackt.

    Wie viele Beispiele von Lotterien mit viel höheren Gewinnen zeigen, hören tatsächlich ein Grossteil der Gewinner mit der Arbeit auf. Wie das Paradebeispiel der Millionengewinnerin Vesna Vekic zeigt, gehen diese Personen dann auch nicht wohltätigen Zwecken nach, noch spenden sie grössere Beträge für wohltätige Zwecke. Sie verbrauchen das Geld für den privaten Konsum und um sich von der Arbeit freizustellen, was ja auch ökonomisch rational ist.

    Ich habe nichts gegen private Lotterien, so lange diese transparent und fair sind, und offen kommunizieren, was genau mit dem Geld passiert. Meiner Meinung nach stimmt das beim Crowdfunding von Bohmeyer zum Grossteil, ausser, dass den Spendern vorgegauckelt wird, dass man erfährt, wer die Gewinner sind, und was sie mit dem Geld alles machen. So lange das nicht der Fall ist, werde ich höchstens an der Verlosung teilnehmen aber nicht einzahlen für anonyme Gewinner den Gewinn in einer Party zu versauffen.

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