«Raus aus der Sinnfinsternis der Lohnarbeit!»

Interveiw mit Theo Wehner in der NZZ:

«Die Freiwilligenarbeit hat Zukunft, denn das Streben nach Autonomie und Selbstbestimmung nimmt zu. Der Arbeitspsychologe Theo Wehner sagt ein Umdenken voraus.»

«Raus aus der Sinnfinsternis der Lohnarbeit!»

 

Ausschnitt aus dem Interview:

«Der Mensch sei ein tätiges Wesen, sagen Sie. Ist Geld nicht nach wie vor die grösste Motivation zu arbeiten?

Das Motiv, zu arbeiten, um ein Einkommen zu haben und damit auszukommen, ist trivial. Man kann das nun aber weiterdenken: Wenn das Auskommen gesichert ist, ist das Einkommen nicht mehr wichtig. Was wäre, wenn ich nicht arbeiten müsste und Einkommen und Arbeit getrennt wären? Das will ja das bedingungslose Grundeinkommen. Würden die Menschen dann noch tätig sein? Ich sehe in der Initiative ein Denkangebot, einen Kulturimpuls. Die Gegner glauben, wenn alle genau gleich viel Grundeinkommen erhielten, würde nicht mehr gearbeitet. Das glaube ich zutiefst nicht.

Ist das nicht utopisch?

Die Automatisierung wird Hunderttausende von Arbeitsplätzen vernichten, gerade auch im Dienstleistungsbereich. Werden die Menschen dann nur noch vor dem Fernseher sitzen? Kaum. Ich bin aber realistisch. Es würde nicht die ganze Kreativität in die Welt gestreut, wenn morgen jeder 2500 Franken erhielte. Ich schätze das Engagement der Initianten sehr, sie sind mir aber zu naiv in der Vorstellung, wir würden alle nur noch das tun, was uns lieb und wichtig wäre und den eigenen Werten entspräche. Bei vielen Leuten braucht es eine Verunsicherung, damit sie wissen, was sie wirklich wollen. Tiefe Krisen führen dazu, nicht nur finanzielle Freiheit.

Welche Rückschlüsse ziehen Sie daraus für die Erwerbsarbeit?

Wie können wir die Erwerbsarbeit tatsächlich humaner machen? Die Antwort ist: Raus aus der Sinnfinsternis der Lohnarbeit! Aber: Sinngenerierung ist höchst subjektiv. Die HR-Abteilung und die Gewerkschaften sind nicht zuständig dafür. Auch die Firma gibt nur marktgängige Werte vor. Das Selbst muss in der modernen Arbeitswelt viel sichtbarer werden. Es muss Gestaltungskraft erlangen.»

Buchhinweise:

Theo Wehner, Stefan Günthert
Psychologie der Freiwilligenarbeit

Springer 2015

 

Comments

  1. Comments BITTE LÖSCHEN

    Margit Anev
    16. Oktober 2015 – 08:56
    @Mike, da gebe ich Dir 100% Recht, als Mediengestalterin der ersten Stunde wurde ich 2007 arbeitslos. 8 Monate Arbeitslosengeld 1, das war noch eine Summe, wo ein normales Leben möglich ist, dann Hartz IV, nur noch Verluste. Alle Kreativität richtet sich auf das Überleben und wer schon einmal bei der Tafel angestanden hat, weiß wie schwer es ist seine Selbstachtung zu bewahren. Ein Grundeinkommen macht nicht fauler, nein, es gibt einem die Würde als Mensch zurück.

  2. @Mike, da gebe ich Dir 100% Recht, als Mediengestalterin der ersten Stunde wurde ich 2007 arbeitslos. 8 Monate Arbeitslosengeld 1, das war noch eine Summe, wo ein normales Leben möglich ist, dann Hartz IV, nur noch Verluste. Alle Kreativität richtet sich auf das Überleben und wer schon einmal bei der Tafel angestanden hat, weiß wie schwer es ist seine Selbstachtung zu bewahren. Ein Grundeinkommen macht nicht fauler, nein, es gibt einem die Würde als Mensch zurück.

  3. Wir diskutierten dieses Thema schon oft. Daraus ging hervor, dass generell die Menschen mit Arbeit das Problem sehen, dass das BGE eher “Faulheit fördere”. Viele Menschen auf Arbeitssuche würden sich befreit von Sanktionen durch die Ämter gerne in den verschiedensten Bereichen engagieren – von Arbeit mit Jugendlichen und Behinderten bis hin zur Organisation von Veranstaltungen in verschiedensten kulturellen Bereichen. Neu ist auch oft zu hören, man würde gerne mit Flüchtlingen arbeiten, um deren Integration zu unterstützen.
    Mein persönliches Statement: Als ETH Zürich promovierter Biologe, der seit 11 Jahren ohne Arbeit dasteht, würde ich gerne
    – Jugendlichen das Wesen der Naturwissenschaften näher bringen wollen
    – Musikevents organisieren
    – bei der Integration der Flüchtlinge helfen
    Auf Arbeitssuche ist man vielen verschiedenen Zwängen ausgesetzt wie Behördenbesuche, Bewerbungsschreiben, Kursbesuche usw. Wenn man aber als fast 60 jähriger Biologe schon über 10 Jahre keine Arbeit mehr gefunden hat, sind andauernde Bewerbungen – auch als Hilfsarbeiter – einfach sinnlos. Da könnte ich mich viel ruhiger und ohne den ständigen Druck den oben beschriebenen Aufgaben widmen und wüsste, dass ich ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen habe.

  4. JEDER Mensch kann helfen, das BGE einzuführen!
    In Deutschland gibt es die BGE-LOBBY.de – eine Gesellschaft zur Einführung des BGE…
    Konzept und Sponsoringidee (Firmen fördern durch Produkteverkauf den ersten Grundeinkommenstopf für alle) unter ” grundeinkommen-für-alle.org

    Das ist zunächst als Studie angelegt, erschafft aber eine STRUKTUR für das (flächendeckende udn auskömmliche) BGE.
    Diese Idee kann in jedes Land udn jeden Tauschkreis(!) exportiert werden… und an alle Unternehmen/-erInnen weitergesagt werden, die Ihren Sitz in Deutschland haben…

    das SCHÖNE ist, dass es aus der bestehenden Wirtschaft heraus grundsätzlich betrieben wird… also NICHT auf “Anweisung von oben” passiert.
    Let’s go!

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