Interview mit Bernard Kundig, Soziologe



L’arc Interview mit
Bernard Kundig, Soziologe und Mitglied von B.I.E.N. Schweiz, Genevé

grundeinkommen.tv: Du bist einer der ersten, die in den 70er Jahren auf die Flexibilisierung in der Arbeitswelt durch die Technik hingewiesen haben. Siehst Du da eine Brücke zum Grundeinkommen?
Bernard Kundig: Zurzeit bringt die Flexibilisierung für die arbeitende Bevölkerung Unsicherheit. Grundeinkommen ist eine Alternative zum herkömmlichen Sozialstaat, der an Wachstum und Vollbeschäftigung orientiert ist. Grundeinkommen ermöglicht Flexibilisierung ohne soziale Härte.

g.tv: Könnte man sagen, dass die Menschen, solange sie so stark wie heute an Erwerbsarbeit gebunden sind, festgehalten werden und nicht die Bewegungen machen können, die man aber im eigenen Leben und auch in der Wirtschaft tun muss? Ist das Festhalten an Erwerbsarbeit als einzig anerkannter Arbeit ein Anhalten von Entwicklung?
B. K.: Es ist ein Stress. Die Entwicklung wird schon durchgezogen. Aber mit Verlust. Die Invalidenversicherung ist bei uns völlig überfordert. Die Leute halten diesen Stress nicht aus, weil man etwas von ihnen verlangt, was sie in ihrer Position mit der Notwendigkeit einer gewissen Einkommensstabilität nicht erreichen können.

g.tv: Warum ist ein bedingungsloses Grundeinkommen gerade jetzt in der Diskussion aktuell?
B. K.: Zu einem Neoliberalismus und dazu in Verteidigungsposition gerückten Sozialkonservatismus ist das, was man Freiheit der Arbeit nennt, die entscheidende Alternative. So viel Freiheit wie für das Kapital brauchen wir für die Arbeit. Wenn ich sage: Arbeit, dann meine ich den Bürger.

g.tv: Was hat Dich über die lange Zeit, die Du Dich bereits für ein Grundeinkommen einsetzt, am Meisten an dieser Idee begeistert?
B. K.: Die Chance, die sich dadurch ergibt, in Selbstverantwortung zu gestalten.

g.tv: Das hieße im Umkehrschluss: Ohne das Grundeinkommen kann man das nicht?
B. K.: Das kann man nicht.

g.tv: Hast Du dafür ein Beispiel?
B. K.: Berufswechsel sind zum Beispiel sehr schwierig. Man ist einmal irgendwo eingestiegen, bleibt ein Spezialist in seinem Fach, was auch die Bedingung dafür ist, weiterzukommen. Wenn aber jemand sagt: Ach, nein, ich möchte nun lieber das oder jenes werden, so ist es ihm ohne ein Grundeinkommen fast unmöglich, das Zentrum seiner Tätigkeit zu verändern.

g.tv: Das Grundeinkommen wäre ja im Vergleich zu dem, was die Meisten im Job verdienen, sehr wenig. Wir sprechen von 2000 bis 3000 Franken im Monat. Wie ist Dein Blick auf die Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens?
B. K.: Ich glaube nicht, dass die Finanzierbarkeit das Hauptproblem ist. Wenn man an das Geld denkt, das heute an Sozialleistungen aller Art ausgegeben wird, das Sozialbudget, dann ist genügend Geld da. Das Grundeinkommen wird nicht viel mehr kosten. Das selbe Geld wird anders ausgegeben.

Mit Bernard Kundig sprach Enno Schmidt am 14. Mai 2006 in Romainmotier.

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