>Wie lässt sich ein Grundeinkommen finanzieren?

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Im “unternehmen mitte” trafen zwei entgegen gesetzte Pole eines Für und Wider des Grundeinkommens und seiner Finanzierung auf.

Dr. Benediktus Hardorp aus Mannheim, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, gilt als Entwickler der aktuell diskutierten Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens durch die Mehrwertsteuer. Sein Vorschlag leitet sich u.a. aus der Überlegung ab, dass die Steuer erst am Ende der Wertschöpfungskette erhoben werden soll. Auf dem Weg der Herstellung einer Ware oder Dienstleistung sollen keine Steuern erhoben werden. Keine Unternehmenssteuern also, keine Einkommenssteuern. Die Steuer ist ein Teilungsvorgang der Wertschöpfung in den Staatsanteil und in den Privatanteil. Dieser Teilungsvorgang soll an dem Punkt geschehen, wo der Einzelne die Leistung anderer für sich zum Verbrauch in Anspruch nimmt; im Kauf also, im Konsum. Alle Steuern sollen nach in der Konsumsteuer zusammengefasst und somit auch transparent werden. Dadurch verringern sich die Nettopreise, denn in ihnen sind nicht mehr wie Heute alle Steuern aus dem Wertschöpfungsweg enthalten. Die dann sehr hohe Konsumsteuer/Mehrwertsteuer von ca. 80%, die gesamte Staatsquote in der Mehrwertsteuer, führte nicht zu einer Erhöhung der Endpreise für die Verbraucher.

Da die Mehrwertsteuer nicht über die Staatsgrenzen geht, würden inländische Produkte im Ausland billiger. Denn in ihren Nettopreisen sind nicht mehr wie Heute die vielfältigen Steuern der Wertschöpfungskette enthalten, das heißt, die Kosten der inländischen Infrastruktur. Produkte aus dem Ausland hingegen würden im Inland mit der hohen Mehrwertsteuer belastet und also teurer. Das ist ein eindeutiger Wettbewerbsvorteil für das Land, welches alle Steuern in der Mehrwerstteuer abbildet. Es gäbe also auch für andere Länder einen hohen Anreiz, ihr Steuersystem in dieser Weise umzustellen auf die alleinige Mehrwertsteuer.

Ob wir diese Steuer Mehrwertsteuer nennen oder Verbrauchssteuer, Konsumsteuer, Umsatzsteuer, gemeint ist der Vorgang, dass die gesamte Staatsquote, alles Geld, mit dem wir den Staat zur Erledigung der von uns gewollten Aufgaben beauftragen und bezahlen, in einem einzigen Steuerbetrag zusammengefasst wird. Benediktus Hardorp zeigte die Herkünfte und Wirkungen dieser Steuerrechtsänderung auf. Kernpunkt ist, dass die Zusammenfassung aller Steuern in der Mehrwertsteuer die Initiative der Menschen fördert und demokratische Transparenz in der Steuer herstellt, dass sie außerdem der globalisierten Wirtschaft angemessen ist. Staatskosten werden nicht mehr mit den Preisen ins Ausland transferiert. Die Mehrwertsteuer ist eine Steuer, vor der man nicht weglaufen kann. Arbeit und Unternehmen sind ihrem Wesen nach steuerfrei.

Prof. Dr. Reiner Eichenreger, Finanzwissenschaftler von der Universität Fribourg, hielt dagegen, dass bei einer so hohen Mehrwertsteuer massiv mit Steuerbetrug zu rechnen sei. Die Mehrwertsteuer, aus der dann ein Grundeinkommen finanziert werden solle, sei im Übrigen nur eine verdeckte negative Einkommenssteuer, und die funktioniere nicht. Um ein Grundeinkommen von 3 Tausend SFr. zu finanzieren, müsste die Mehrwertsteuer dann etwa 170 % betragen. Warum nicht gleich 6 Tausend SFr. für jeden? Es sei eine reine Utopie. Eintausend Franken für jeden seien zu finanzieren. Das Grundeinkommen sei aber damit verbunden, dass es alle heutigen Sozialleistungen ersetzt. Denen, die das Geld brauchen, die heute mit den Sozialleistungen viel besser gestellt sind, würden die Leistungen weggenommen. Es sei auch völlig illusorisch und nicht mal wünschenswert, dass mit einem Grundeinkommen alle plötzlich kreative Künstler werden. Wozu sollten Menschen, die kein Grundeinkommen brauchen, eines erhalten? Die Idee des Grundeinkommens, so Prof. Eichenberger, sei ihm im Grunde sympathisch. Um sie aber nicht in Utopien zu verlieren, sollte es ein Grundeinkommen geben für diejenigen, bei denen damit tatsächlich innovative und kreative Potentiale freigesetzt werden.

Der Moderator wies darauf hin, dass die Höhe eines Grundeinkommens davon abhängt, was wir wollen, was wir für richtig erachten, was dann auch finanzierbar ist, und dass die konkrete Zahl sich im Laufe einer schrittweisen Einführung erst ergeben kann. Mit einer hypothetischen Zahl gegen das Grundeinkommen abzurechnen, sei also gegenstandslos.
Der Begriff der Kreativität würde im Übrigen heute als sehr verflachtes Schlagwort gehandhabt. Dass viele sich in künstlerischen Berufen tummeln, in denen sie nicht besonders gut sind, läge daran, dass in den Tätigkeitsfeldern und Berufen, wo sie wirklich gut sein könnten, nicht die Freiräume bestehen, die qualitative, selbst bestimmte Arbeit zulassen. Da würde das Grundeinkommen neue Chancen auftun. Ein Grundeinkommen, das selektiv gegeben wird, habe die bekannten Nachteile der Kriterienkataloge, wie sie auch Stiftungen handhaben, die sich in der Praxis von den individuellen Intentionen der Menschen entfernen, durch langwierige Vergabverfahren Aktivität mehr behindern als fördern. Es sei besser, die Menschen nicht mehr wirtschaftlich zu bevormunden, nicht von Oben festzulegen, wer beispielsweise kreatives Potential habe und wer nicht, wer ein Grundeinkommen brauche und wer nicht, sondern es tatsächlich jedem und jeder in seine und ihre Verantwortung zu geben, wie er oder sie sein Leben führt und sich für andere einsetzt.

Dr. Benediktus Hardorp wies darauf hin, dass auch bei einem Grundeinkommen und bei einer alle Steuern enthaltenden Mehrwertsteuer viele situative- und Sonderregeln möglich sind, wenn wir dies für sinnvoll erachten. Es gehe zunächst um das Denken und Verstehen der Idee im Überblick, in ihren Herleitungen und anzunehmenden Folgen.
Prof. Eichenberger räumte ein, dass es hierbei vor allem um das Menschenmodell ginge. Ist der Mensch innovativ, gut und altruistisch? Oder folgt er seinem egoistischen Vorteil?
Dr. Hardorp verglich diese Frage später mit einer anderen: „Ist das Glas halb leer, oder ist es halb voll?“

Eine wichtige Bestätigung des Mehrwertsteuermodells gab es von Prof. Eichenberger bezüglich der Transparenz. Steuerhinterziehung findet heue in großem Umfang statt. In der Schweiz ist dort die Steuerhinterziehung am geringsten, wo die Leute wissen und mitbestimmen, was mit der Steuer gemacht wird. Die Mehrwertsteuer, in der sich der gesamte Staatsanteil zeigt, würde in diese Richtung wirken. Einsicht und Sinnfindung sind die einzig wirksamen Mittel gegen den Steuerbetrug.

Diese Debatte im Rahmen der Veranstaltungsreihe der Initiative Grundeinkommen war hoch geladen mit Ausgrenzung und Ignorieren der Position des Anderen. Dennoch zeigten die Ausführungen von Dr. Hardorp einen Einblick in die Idee der alleinigen Konsumbesteuerung, und Prof. Eichenbreger konnte Schwellen deutlich machen, die mit Recht oder Unrecht – das blieb auf dem Podium letztlich unbeantwortet – gegen die Idee stehen und von manchen Befürwortern träumerisch übergangen werden. Viele Beiträge aus dem Publikum brachten aber Antworten auf diese Fragen aus eigenen Erfahrungen und fröhlichen Perspektiven. Nur ein Wortbeitrag sprach von einem anthroposophischen Wir in der Idee des Grundeinkommens, was als ausgrenzender Tiefschlag von der Mehrzahl der ZuhörerInnen gütlich überhört wurde.

Die Idee des Grundeinkommens wie seiner Finanzierung gehört niemandem. Die Auseinandersetzung ist frei. Über allem Für und Wider steht die Achtung des Anderen. Mit dieser Einstellung befand sich die Initiative Grundeinkommen Gestern auf dem Prüfstand und auf stürmischer See.

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