Was das Grundeinkommen verändert – und was nicht

Von Philip Kovce bei Vorwärts:

«Am 5. Juni stimmen die Schweizer über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab. Dabei geht es weniger um Geld, als vielmehr um eine Verschiebung von Macht, meint der Ökonom und Philosoph Philip Kovce. Das Grundeinkommen stärke die Rolle des Einzelnen.»

Was das Grundeinkommen verändert – und was nicht

 

«Die Schweizer Grundeinkommensinitiative lädt dazu ein, die Sache mit dem Einkommen genauer zu durchdenken. Dabei kommt heraus: Jeder, egal ob arm oder reich, jung oder alt, Frau oder Mann, bedarf eines Einkommens. Wenn jedoch jeder das Lebensnotwendige unbedingt benötigt, dann ist es ungünstig, dessen Bezug zu erschweren. Wer das Unbedingte an Bedingungen knüpft, ist ungeschickt. Er verhindert, dass sich die Fragen des Einzelnen auf Fragen jenseits des Einkommens richten. Er verhindert, dass der Einzelne selbstbestimmt arbeitet.

Das Neue des bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht das Grundeinkommen, das wir bereits erhalten, sondern die Bedingungslosigkeit, auf die wir noch immer verzichten. Die Schweizer Volksinitiative fordert deshalb dazu auf, die Bedingungen der Bedingungslosigkeit zu verhandeln, die die Zukunft der Arbeitsgesellschaft sichern.

Das bedingungslose Grundeinkommen fördert die Souveränität des Einzelnen. Damit stellt es die Machtfrage. Es kostet nicht Geld, sondern Vertrauen – und jene die Macht, die sich im großen Stil als Bedingungsmanager begreifen. Parteien sind besonders machtverlustgefährdet, denn sie drohen, die selbstbestimmte Arbeitsgesellschaft zu verschlafen. War es früher etwa angemessen, für die Freiheit der Arbeiter als Partei mächtig zu werden, um den Kapitalisten Kompromisse abzutrotzen, so ist es heute geboten, für die Freiheit des Einzelnen auf eigene Macht zu verzichten.

Parteien haben nur dann eine Zukunft, wenn sie sich entpolitisieren. Soll heißen: Wenn sie Macht anstelle von Kompetenz delegieren. Der nächste große Strukturwandel steht nicht in dieser oder jener Industrie an, sondern im politischen Betrieb: Wir müssen tausende Berufspolitiker, die sich noch immer als Identitätsbeauftragte und Machtbefugte gebärden, zu Bürgerdienstleistern umschulen. Das ermöglichen – siehe Schweiz – direkte Demokratie und bedingungsloses Grundeinkommen. Wir werden es uns nicht länger leisten können, darauf zu verzichten.»

„Es ist sozial, Arbeit abzuschaffen.“ Ein Interview mit Philip Kovce lesen Sie hier.

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