Post von Susanne Wiest

Veröffentlicht bei Themen der Zeit:

Als vor geraumer Zeit eine Meldung durch die sozialen Medien ging, dass möglicherweise eine Enquete-Kommission zum Thema Grundeinkommen gebildet würde, bat ich Susanne Wiest, die ja 2009 die Petition für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens initiiert hatte, um eine kurze Kommentierung dieser Meldung. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt hat sie doch – in ihrer ihr eigenen, liebenswürdigen Art – geantwortet. Michael Mentzel

 

Lieber Michael,

ich werde von Dir gefragt, ob ich nicht ob ich nicht eine Pressemitteilung des „Netzwerkes Grundeinkommen“ kommentieren möchte. Ich hätte ja eine ganze Weile nichts mehr auf meinem Blog “Grundeinkommen im Bundestag” geschrieben und den neuen Text könne ich ja auf beiden Seiten veröffentlichen. Das war und ist ein Impuls. Danke Michael.

Das bedingungslose Grundeinkommen begleitet mich nach wie vor durch die Tage. Mal laut, zentral und ganz im Vordergrund, mal leise und eher innerlich wie im letzten Sommer, in dem viele andere Erlebnisse mich bewegt haben. Meine Söhne haben die Schule beendet, sind nun wunderbar erwachsen und ich bin, zusammen mit meinem Liebsten, aus der Stadt Greifswald wieder zurück ins kleine Dorf gezogen. Viel Himmel, viel Land und ganz andere Themen als in der Stadt. Meine Gesundheit ist auch ein Feld, auf das ich mich konzentriere. Manche von Euch haben ja schon bemerkt, dass ich nicht gut gehen kann….

Das Netzwerk Grundeinkommen, das ich nicht als Dachverband der Grundeinkommensbewegung erlebe, sondern als engagierten Verein mit eigenen Schwerpunkten, meldete vor einiger Zeit in einer Presseerklärung: “Katja Kipping (Die Linke) und Wolfgang Strengmann Kuhn,(Bündnis 90/die Grünen) haben sich getroffen um die Umsetzung des Wahlversprechens ihrer Parteien, eine „Enquete Kommission Grundeinkommen“ im Bundestag zu bilden, auf den Weg zu bringen.

Laut Katja Kipping sei Fraktion die Linke schon bereit dazu, bei der Grünenfraktion wolle und müsse  Wolfgang Strengmann Kuhn noch dafür werben.”

Wahlversprechen

Natürlich freut es mich wenn auch die Abgeordneten des Bundestages über das bedingungslose Grundeinkommen sprechen, wenn verschiedene Stimmen zum Thema gehört werden und der Kulturimpuls Grundeinkommen auch einmal auf diesem Weg Öffentlichkeit erfährt.

Andererseits hat sich mein Anspruch an unsere Demokratie, durch die Erlebnisse im Zusammenhang mit meiner Petitionsstellung und -anhörung im Bundestag so verändert, dass schon allein das Wort „Wahlversprechen“ mich schaudern lässt. Wir Bürgerinnen und Bürger sind von Versprechen abhängig, anstatt souverän, eigenverantwortlich und frei unser Zusammenleben zu gestalten? Und diese Versprechen werden dann auch noch nicht mal gehalten?

Unsere Demokratie ist in gewaltiger Schieflage.

Und wenn ich mir dann noch vorstelle wie nun die Mühlen unseres Bundestags zu mahlen beginnen, wie anscheinend, Wahlversprechen hin oder her, erstmal die Grüne Fraktion überzeugt werden muss, anschließend noch … Abgeordnete der großen Koalition, um dann endlich mit einem Viertel der Abgeordneten des Bundestags die Enquete Kommission einberufen zu können,…. dann bezweifle ich sehr, dass dieses langsame, machtzentrierte und schwerfällige Arbeiten unseres Bundestags geeignet ist, die drängenden Probleme unserer Zeit zu lösen.

Das Bedingungslose Grundeinkommen, oder die Barrierefreie Gesamtgesellschaftliche Existenzgrundlage = BGE, von allen für alle erhoffe ich mir auf diesem Weg jedenfalls nicht. Nicht auf dem üblichen parteipolitischen Weg. Nicht als Hilfe für Arme, nicht als sozialpolitische Maßnahme und nicht als zurechtgestutztes Geschenk irgendeiner Partei. Ich will es nicht gnädig gewährt bekommen weil ich aufmüpfig, bedürftig oder arm bin.

Von arm redet sowieso niemand mehr. Das heißt jetzt auf Neusprech:„sozial schwach“. Alle Menschen sind gleich. Staatliches Kümmern oder Bevormunden verletzt die Gleichheit aller Menschen.

Ich will, dass wir uns das bedingungslose Grundeinkommen gegenseitig gewähren, dass wir es zusammen demokratisch erarbeiten und über eine bundesweite und verbindliche Volksabstimmung einführen.

Jede und jeder braucht eine Lebensbasis. In der heutigen Zeit kann und muss das auch ein finanzieller Raum sein. Das, was jede und jeder zum Leben braucht gewähren wir uns bedingungslos. Für das, was erforderlich ist um an Demokratie, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur teilhaben zu können, sollten wir keinerlei Handstände und sonstige Verrenkungen von uns verlangen. Das wäre und ist beschämend. Hier im reichen Deutschland, in Europa und überall auf der Welt.

Demokratieerneuerung

Das bedingungslose Grundeinkommen schreit nach einer Erneuerung der Demokratie. Es schreit nach Mitmachen, nach einfach und ganz persönlich damit Anfangen, nach Menschen, die dafür aufstehen, nach neuen demokratischen Formen, nach direkter Demokratie und nach der bundesweiten Volksabstimmung. Ohne ein bedingungsloses Grundeinkommen fehlt unserer noch unentwickelten Demokratie etwas wesentliches. Eine Wirtschaftsform die zur Demokratie passt. Eine gemeinsam finanzierte Basis die uns alle trägt.

Angesichts dieser Sachlage ist die Ankündigung, dass vielleicht irgendwann einmal irgendwelche Abgeordnete über das bedingungslose Grundeinkommen sprechen könnten, so sie denn wollen, nicht wirklich aufregend oder beflügelnd, sondern wirkt eher wie ein weiteres Kapitel im üblichen Parteienpolitikgerangel.

Besonders lustig ist dieses zögerliche Haltung angesichts der Tatsache das wir Bürgerinnen und Bürger unsere Volksvertreter bereits mit einer Art bedingungslosen Grundeinkommen ausstatten..

An die Diäten unserer Abgeordneten knüpfen wir keinerlei Bedingungen. Keine Anwesenheitspflicht oder irgendwelche abzuarbeitenden Aufgabenkataloge. Einmal gewählt ist die Abgeordnetenentschädigung bedingungslos. Das ist doch nett von uns!

Herzlich
Susanne

Blog von Susanne Wiest:
Grundeinkommen im Bundestag

Comments

  1. Guten Tag

    Es ist bezeichnend, dass eine Tagesmutter aus Greifswald eine der grössten Befürworterinnen des Grundeinkommens ist. Nicht einmal hat Susanne Wiest nicht öffentliche Finanzen studiert, ja sie hat noch nicht einmal einen Hochschul-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften oder in einem anderen Fach.

    Die Befürworter des BGE sind denn meist auch einfache Leute aus dem Souverän: es sind Künstler, Kabarettisten, Rapper, Clowns und andere Gaukler. Klar, dass die sich ein Grundeinkommen wünschen, denn es würde ihren Lebenswandel des Nichtstun und dafür abkassieren subventionieren.

    Wir anderen müssen uns dem Markt anpassen: Wenn niemand unsere Bilder lesen will, oder unsere Gedichte abdrucken, dann müssen wir uns einen richtigen Job suchen, der auch der Gesellschaft etwas bringt. Ich habe es schon gesagt und sage es noch einmal: Wenn meine Kunst nichts Wert ist, dann ist es nicht die Aufgabe des Staates mich in meinen Verwirrungen noch weiter zu unterstützen. Es braucht dann einen Realitätscheck und man muss realisieren, dass ich eben kein Michaelangelo oder Leonardo bin, der gute Bilder malt, die jemand kaufen will. Ich muss dann auch etwas weniger anspruchsvolle Arbeit annehmen, und mich der Gesellschaft anpassen, auch wenn ich das “unter meiner Würde” finde. Diese Anspruchshaltung kommt nebenbei gesagt aus einer falschen Erziehung, wo man dem Kind alles durchgehen liess, und es dann auch noch belohnte. Jetzt ist es eben Zeit erwachsen zu werden, und dieses kindische Geheul von “ich will nicht”, das bis jetzt immer mit der Antwort “dann musst du auch nicht” geendet hat, hinter sich zu lassen. “Du musst jetzt!” sollte die eindeutige Absage der Gesellschaft an diese Verweigererkinder sein, je eher sie es begreifen, desto besser; denn bis zur Rente können wir es uns nicht leisten dieses Sich-Ausruhen auch noch querzufinanzieren.

    • Kreative Arbeit kann nach meiner Erfahrung Sinn geben und seelisch stabilisieren. Daher sollten alle Menschen mehr Möglichkeit dazu erhalten. Ob die Werke ihre Künstler dann berühmt machen, ist unter diesem Blickwinkel egal – zugespitzt formuliert: “Wer Musikschulen schliesst, gefährdet die innere Sicherheit.” (Otto Schily)
      Woran machen Sie fest, dass wir uns das nicht leisten könnten angesichts des heutigen materiellen Überflusses?

  2. herzerfrischend wieder etwas von dir, liebe susanne, zu hören und zu lesen … ja, so ist es wohl.

    und wie kommen wir diesem impuls und dieser stärkeren teilhabe und selbstverantwortung näher? … da bin ich etwas ratlos.

    dir, liebe susanne, wünsche ich erst einmal für dein neues lebensjahr gute gesundheit und lebensfreude …

  3. In Deutschland schaut es eher mehr danach aus das durch den Aufbau eines umfassenden Überwachungs und Polizeistaates die Klasse derjenigen welche keine Arbeit mehr finden wird (Techn. Fortschritt und so). Durch den Staat und Behörden unten gehalten wird um das jetzige System mit Zwang zu erhalten zu können.

    Die Regierenden Polit Eliten egal ob Konservativ oder Sozialdemokratisch werden sich immer dagegen wehren den Menschen Freiheit zu gewähren, das ist gerade den Deutschen Parteien wesensfremd da diese genau wie die Deutsche Mehrheitsbevölkerung welche diese Parteien wählt Authoritären Denkmustern anhängen.

    In Deutschland haben wir eine Authoritäre Demokratie in welcher Herrschaftsanspruch und Untertanenmentalität Hand in Hand gehen. Das ist auch in der Bevölkerungsmehrheit so verankert, die Menschen wollen das so.

    In der Scheiz sehe ich da durchaus mehr Raum auch für Alternative Denkansätze da hier im Diskurs nicht solch eine Authoritäre, Hierarchische Kultur vorherrschend ist sondern der Wille sich selbst zu regieren die Zukunft mitzugestalten sehr viel stärker ausgeprägt ist als in Deutschland.

    Daher denke ich auch das in Zukunft aus der Schweiz die stärkeren Impulse für das BGE ausgehen werden als von den Deutschen Untertanen die nur das denken wollen was die Obrigkeit will das sie denken sollen.

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