Ein Impuls aus der Zukunft – Interview mit Daniel Häni

daniel.haeni.grundeinkommenFoto: Stefan Borer

 

Interview mit Daniel Häni in Der Sonntag (Freiburg i.B.):
Ein Impuls aus der Zukunft 
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Das Gespräch führte Thomas Goebel:

Herr Häni, die Schweizer gelten als protestantisch-pflichtbewusste Arbeitnehmer. Warum ist die Grundeinkommen-Initiative gerade in der Schweiz so erfolgreich?

Die Schweiz ist eine Willensnation, sie hat keine feudalistische Geschichte, sondern entstand von unten aus einem Freiheitsimpuls, indem man sich verbündet hat. Das Grundeinkommen knüpft an diesen Impuls an indem es dem Einzelnen mehr Bestimmungsmacht darüber gibt, wie er sein Leben gestaltet.

2012 haben sich die Schweizer in einer Volksabstimmung gegen einen längeren Mindesturlaub entschieden. Wieso sollten sie jetzt für das Grundeinkommen stimmen?

Die beiden Initiativen sind nicht vergleichbar. Das Grundeinkommen ist keine Forderung, kein Zugeständnis, sondern eine Vision, die über den Tellerrand hinausschaut und den Menschen wirklich etwas in die Hand gibt. Im Kern geht es um eine Machtumverteilung hin zum souveränen einzelnen Menschen.

Welche Reaktionen haben sie in den letzten anderthalb Jahren beim Sammeln der Unterschriften erlebt?

Ganz unterschiedliche. Zum einen kamen Menschen mit einem Strahlen in den Augen auf uns zu und haben gesagt: Wenn wir über so etwas diskutieren und abstimmen können, dann glaube ich wieder an die Schweizer Demokratie. Und dann gab es natürlich andere, die gesagt haben: Sie spinnen ja, gehen Sie lieber arbeiten. Dabei waren wir ja gerade dabei zu arbeiten – Unterschriften zu sammeln ist eine anspruchsvolle demokratische Dienstleistung …

Die Neue Zürcher Zeitung hat Ihr Engagement als „Initiative zur Abschaffung der Schwerkraft“ kritisiert…

Das finde ich sehr poetisch formuliert. Ich weiß, dass es anders gemeint ist, aber ich würde darauf antworten: Die Überwindung der Schwerkraft haben wir doch längst geschafft – früher schien es unmöglich, dass der Mensch fliegen kann, heute besteigen wir ganz selbstverständlich ein Flugzeug. Das Grundeinkommen soll tatsächlich unnötige Schwerkraft und Mühsal überwinden. Ich freue mich über solche scharfen Gegenargumente, das gibt der Debatte Kontur.

Befürworter und Gegner eines Grundeinkommens finden sich in nahezu allen politischen Lagern.

Das ist eines der Phänomene, das mir sehr gefällt: Das Grundeinkommen ist keine „linke“ oder „rechte“ Idee, sondern verbindet endlich einmal die zwei Ideale des Sozialen und des Liberalen, des Freiheitlichen.

Jede Diskussion dazu landet irgendwann bei der Frage nach der Finanzierung. Was ist Ihre Antwort?

Das Grundeinkommen ist nominal weitgehend finanziert. Es bedeutet nicht mehr Geld für die Menschen – es geht darum, dass man den Teil vom Einkommen, den man ohnehin zum Leben braucht und heute schon hat, von unsinnigen Bedingungen befreit. Die wirkliche Finanzierungsfrage ist, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen unsere Gesellschaft produktiver macht oder eben nicht – quantitativ und auch qualitativ. Darüber können wir debattieren. Aus meiner unternehmerischen Erfahrung weiss ich, dass die Menschen arbeiten und sich engagieren wollen. Effizient und produktiv sind die Menschen, wenn sie sich mit der Arbeit, die sie tun, identifizieren können, wenn sie einen Sinn darin sehen. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass das Grundeinkommen zu einer Dynamisierung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führt. Wahrscheinlich wird ein bedingungsloses Grundeinkommen sogar zur Voraussetzung für eine sinnvolle, nachhaltige Leistungsgesellschaft. Wir brauchen die Menschen in ihrem gesamten Potential. Wenn wir die Menschen behandeln wie Maschinen, wie wir das getan haben im Industriezeitalter, dann können wir die Aufgaben und Probleme der Zukunft nicht lösen.

Dazu passt Ihr Motto: „Wer nicht muss, der kann.“ Aber will er dann auch wirklich?

Ja, das ist meine Erfahrung. Es geht um den Entwicklungsschritt vom Sollen zum Wollen. Da sehen Sie die Verbindung zur Willensnation Schweiz – deshalb ist hier ein fruchtbarer Boden, auf dem diese Idee weiter wachsen kann.

Verfolgen sie auch die Diskussion zum Grundeinkommen in Deutschland?

Ich nehme die Debatte sehr interessiert wahr. Sie verläuft in Deutschland anders, weil dort das Mittel der Direkten Demokratie fehlt. Deshalb gibt es ein großes Interesse an unserer Initiative, weil man sehen kann, wie man diese Idee in einer dem Grundeinkommen gemäßen Form einbringen kann. Das kann sicher in Deutschland auch einen Impuls setzen für mehr Demokratie, für Volksabstimmungen und für das Initiativrecht der Bürger.

Sie werben für Ihre Idee auch mit Aktionen wie einem Berg aus acht Millionen Fünf-Rappen-Münzen auf dem Bundesplatz in Bern. Täuscht der Eindruck, oder stammt Ihre Initiative eher aus der Kulturszene als auch der Sozialpolitik?

Beides. Es ist ja grundsätzlich so, dass alles Neue aus der Kultur kommt. „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“, hat bereits Albert Einstein gesagt. Das Grundeinkommen ist ein Kulturimpuls. Ein Impuls aus der Zukunft.

Wie geht es nach der Abgabe der Unterschriften jetzt weiter?

Am 4. Oktober haben wir in Bern ein bedeutendes Etappenziel erreicht. Es kommt zur Volksabstimmung. Jetzt betrifft die Initiative jeden Menschen in der Schweiz. Zudem ist es eine intime, persönliche Fragestellung. Wie stelle ich mich zur Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens, zur Freiheit? Bin ich bereit darauf zu verzichten, bestimmen zu wollen, was die anderen – jedenfalls im Bereich der Existenzsicherung – zu tun haben?

Wird die Schweiz in fünf Jahren per Volksabstimmung ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt haben?

Das Grundeinkommen ist eine Bewusstseinshaltung. Die Auseinandersetzung wird jetzt noch intensiver werden, das ist ein wichtiger Teil der Einführung. Ich denke nicht, dass es so schnell geht. Aber für die Mentalität in der Schweiz – und ich glaube, auch darüber hinaus – kann schon die Debatte viel bewirken. Vor mehreren Jahren haben wie die Initiative lanciert mit der Frage: „Was würden Sie arbeiten, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre?“ Diese Frage kann bei Menschen ganz existenzielle und befreiende Bewusstseinsprozesse auslösen.

 

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